Ausgezeichnetes Energiedorf


03.11.2012, Frankfurter Rundschau, von Bruno Rieb

Bergheim bekommt Preise für sein zentrales Holzhackschnitzel-Heizwerk

Wir machen hier alles ehrenamtlich“, sagt Hartmut Langlitz stolz. Er ist Ortsvorsteher von Bergheim und Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft, die das zentrale Holzhackschnitzelheizwerk des Dorfs betreibt. Das „Energiedorf Bergheim“, wie sich die Genossenschaft nennt, ist in den Zeiten der Energiewende berühmt geworden. Am Donnerstagabend wurde die Genossenschaft mit dem Innovationspreis des Stromversorgers Ovag ausgezeichnet, der mit 5000 Euro dotiert ist. Am Montag erhält sie den mit 2000 Euro dotierten Umweltschutzpreis des Wetteraukreises.
Als das zentrale Heizwerk, das mit Holzhackschnitzeln aus Rest- und Abfallholz befeuert wird, geplant wurde, war die Energiewende noch fern, die 2011 durch die Atomkatastrophe von Fukushima beschleunigt wurde.
2009 stand die Erneuerung der Kanalisation in Bergheim an. Da wurde die Idee geboren, gleich ein Nahwärmenetz mit zentralem Heizwerk zu schaffen.
Drei Millionen Euro brachte die Genossenschaft auf. 684000 Euro kamen von den Genossen durch Einlagen von je 6000 Euro, 800000 Euro Zuschüsse flossen aus verschiedenen Quellen, darunter 200000 Euro vom Land. Die zweite Hälfte wurde durch Bankkredite finanziert, für die die Stadt Ortenberg bürgte.
Zehn Kilometer Heißwasserleitungen wurden verlegt. Am Ortsrand wurde das Heizwerk gebaut, mit einem Holzhackschnitzelofen, der 1000 Kilowatt leistet, und einem Ölheizkessel mit 1600 Kilowatt, dazu einem 40000 Liter fassender Warmwasserspeicher.
Inzwischen sind laut Langlitz von den knapp 200 Häusern des Ortes 110 an das Heizwerk angeschlossen. Die Tendenz ist steigend, denn das Projekt schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel der Genossen. Gegenüber traditionellen Öl- und Gasheizungen werden jährlich 700 Tonnen Kohlendioxid eingespart, begründete Landrat Joachim Arnold (SPD), dass die Wahl unter den zwölf Bewerbern für den Umweltschutzpreis des Kreises auf Bergheim fiel.
Jeder Genosse spart laut Langlitz etwa 500 Euro im Jahr gegenüber dem Betrieb einer klassischen Ölheizung. Holzhackschnitzel sind nicht nur deutlich billiger, es fallen auch noch Nebenkosten weg wie für den Schornsteinfeger oder die Öltankversicherung. Die Genossen zahlen nur die reinen Wärmekosten, die mit einem Wärmezähler erfasst werden.
Inzwischen ist die Genossenschaft auch in die Stromproduktion eingestiegen. Auf der Heizwerkhalle steht eine Photovoltaikanlage. Und die Größe der Halle ist so ausgelegt, dass auch ein Blockheizkraftwerk eingebaut werden kann, sagt Langlitz.
Um die Umweltpreisverleihung des Kreises hatte es Turbulenzen gegeben. Hessens Umweltministerin und Wetterauer CDU-Vorsitzende Lucia Puttrich fühlte sich als Rednerin ausgeladen. Sie sei nie eingeladen gewesen, sagt der Landrat. Für die Genossenschaft sei es „schon etwas anderes, wenn die Ministerin die Laudatio hält“, sagt Langlitz. Als politisches Statement will er das aber nicht verstanden wissen. In Bergheim seien ohnehin alle politische Barrieren niedergerissen. Bei der jüngsten Ortsbeiratswahl traten keine Parteien an, es gab nur eine gemeinsame Bürgerliste. Politiker sind aber gerne gesehen – vor allem, wenn sie Geld mitbringen.
Der Umweltschutzpreis des Wetteraukreises wird am Montag, 5. November, um 19 Uhr im Plenarsaal des Kreishauses in Friedberg verliehen.