In Ortenberg heizt man gemeinsam


In Ortenberg heizt man gemeinsam

(Frankfurter Rundschau, 22.09.2019)

Ortenberg zeigt, wie Klimaschutz geht. Die Genossenschaft nennt sich Energiedorf Bergheim.

Von Jutta Rippegather

Sie nennen sich „Energiedorf Bergheim“. Und die Genossen sind mächtig stolz auf das, was ihre Genossenschaft hat. Können sie auch. 120 Häuser sind an ihr mit Holzhackschnitzeln betriebenes Kraftwerk am Ortseingang angeschlossen. Gerade heute seien zwei neue hinzugekommen, berichtet Aufsichtsratsvorsitzender Hartmut Langlitz dem Besuch aus der Landeshauptstadt. 6000 Euro zahlt ein Genosse in Bergheim für seinen Anteil. Und ist von allen Nachteilen einer Ölheizung befreit. Keine Platzverschwendung durch Tanks, keine grauen Haare wegen der steigenden Ölpreise. So wird ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Die Luftqualität, versichert eine Genossin, habe sich riechbar verbessert. Und man engagiere sich für die Gemeinschaft.
Bergheim ist einer von zehn Stadtteilen von Ortenberg im Wetteraukreis. Regiert wird der 9000-Einwohner-Ort seit knapp 20 Jahren von Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring. Die umtriebige Sozialdemokratin ist neue kommunale Vorsitzende des Lenkungsausschusses des Bündnisses der Klima-Kommunen. Das ist nicht der einzige Grund, warum Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) der Stadt am südlichen Ausläufer des Vogelsbergs einen Besuch abstattet. Ortenberg handele seit Jahren in Sachen Klimaschutz vorbildlich. „Ich erwarte Anregungen, auch dafür, wo wir noch mehr helfen können.“ Die Landesregierung habe beschlossen, dass Hessen bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein solle. Was sie nicht erwähnt: Die Grünen-Basis hatte jüngst gegen das Votum ihrer Minister den Termin sogar auf 2035 vorverlegt.
Um das Ziel zu erreichen, müssten alle an einem Strang ziehen, sagt Hinz. Der Bund, von dem sie mehr Unterstützung erwarte, das Land, die Kommunen und die Bürger. Leute also wie die Genossen in Bergheim, die sich nicht auf ihrem Erfolg ausruhen, sondern weiter in die Zukunft planen. Die Halle ist groß genug, um auch noch andere Technik beherbergen zu können, die sich noch keiner vorstellen kann. Und auf der Wiese nebenan soll ein Feld mit Sonnenkollektoren den Wärmebedarf im Sommer abdecken. Holz, das aus den Wäldern in der Umgebung kommt, ist schließlich endlich. Das Ziel heißt Verzicht auf alle fossilen Brennstoffe. Das hört die Ministerin gerne. „Die Klima-Kommune Ortenberg zeigt, wie es geht“, sagt sie. Rund 10 500 Tonnen CO2 spare die Stadt mit den bisher umgesetzten Klimaschutzprojekten ein. Das Land unterstütze sie dabei.
Das Energiedorf Bergheim ist das spektakulärste Projekt. Doch auch rund um das Bürgerhaus gibt es einiges zu entdecken. Die LED-Straßenbeleuchtung, die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Kindergartens, die die Mittelhessische Energiegenossenschaft betreibt. An einer Tafel können Kinder und Eltern ablesen, welchen Sonnenernteertrag der Tag bislang gebracht hat.
Die vom örtlichen Energieversorger OVAG betriebene Ladestation am Feuerwehrhaus wird allerdings so gut wie nicht genutzt, wie die Bürgermeisterin auf Nachfrage einräumt. Elektroautobesitzer seien im strukturschwachen Ortenberg noch rar und wenn es welche gebe, dann hätten die wohl eine eigene Garage mit Stromanschluss.
Ein großer Erfolg hingegen sei die Modernisierung des Bürgerhauses gewesen. Von außen ist dem energetisch sanierten Gebäude nicht anzusehen, dass es aus den 60er Jahren stammt. Es habe einiges an Überredenskunst gekostet, um gewisse Stadtverordnete davon zu überzeugen, dass es nicht abgerissen werden sollte, sagt die Rathauschefin. Heute weiß sie: „Wir waren Trendsetter.“ Die Mühen hätten sich gelohnt. „Jetzt, wo alle über das Klima reden, hat sich erst recht gezeigt, dass wir richtig lagen.“ Auch das Bürgerhaus wird mit Holzhackschnitzeln aus den Wäldern der Umgebung geheizt, in Spitzenzeiten kann eine Ölheizung hinzugeschaltet werden. Die jährlichen Heizkosten liegen bei 8000 Euro. Vor der Sanierung im Jahr 2012 wurden 50 000 Liter Öl verbrannt. Richtig warm wurde es trotzdem nicht. Das ersparte Geld fließt nicht in den städtischen Haushalt, sondern in die Pflege und Unterhaltung des Gebäudes. Und die Bürger könnten die Vorteile nicht nur sehen, sondern auch bei Veranstaltungen im 300 Menschen fassenden Saal spüren, sagt die Bürgermeisterin: „Früher musste man hier im Winter immer den Mantel anlassen, weil es nie richtig warm wurde.“