„Ortenberger Sonne“ verliehen
(Kreis-Anzeiger, 15.01.2019, von ten)
Drei Initiativen werden beim Neujahrsempfang der Stadt Ortenberg mit dem Preis „Ortenberger Sonne“ ausgezeichnet.
Stellvertretend für die zahlreichen Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren, wurden die Bürgerstiftung Pilgerrast Lißberg, die TKI Bücherei Bleichenbach und das Energiedorf Bergheim mit der „Ortenberger Sonne“ gewürdigt. (Foto: Potengowski)
ORTENBERG – Dass der Neujahrsempfang in Ortenberg mehr als ein fröhlicher Gruß zum Jahresanfang war, lag nicht nur am großen Informationsangebot. Neben einer Vielzahl an Publikationen zu Projekten der Stadt berichtete Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring auch über die Lage der Kommune. Höhepunkt war die Verleihung der Jetzt teilen:?“Ortenberger Sonne“ an drei Gruppen engagierter Bürger. Die regelmäßigen Probleme, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen, zeigten, dass Ortenberg finanziell eine arme Stadt sei. In ihrer Ansprache erläuterte Pfeiffer-Pantring, wie vor allem aus den stetig wachsenden Kosten der Kinderbetreuung und den zu geringen Geldern, die Bund und Land zahlten, um diese Pflichtaufgabe der Stadt zu finanzieren, das Defizit entstehe.
Dabei kritisierte sie die unterschiedliche Bewertung der Bürger bei den Schlüsselzuweisungen. Während Eschborn für jeden Bürger 5300 Euro bekomme, sei dem Land in den kreisangehörigen Gemeinden der Bürger nur 500 bis 700 Euro wert. „Bringt der einzelne Bürger in Eschborn viel mehr Wertschöpfung hervor, als der Bürger in Eckartsborn?“, stellte sie zur Diskussion.
„Wir warten händeringend auf das Urteil des Staatsgerichtshof“, hofft Pfeiffer-Pantring auf die juristische Beseitigung dieser „Ungleichbehandlung“. Dabei verwies sie darauf, was Ortenberg in den letzten Jahren trotz knapper Kassen geleistet habe. So würden die Bemühungen der Stadt zur Energieeinsparung mit einem eigenen Kapitel in dem Buch „Klimaneutralität – Hessen 5 Jahre weiter“ gewürdigt. Es sei etwas Besonderes, „dass Ortenberg dort drin steht, wo andere mit dem Klimaschutz noch gar nicht angefangen haben“, betonte Pfeiffer-Pantring.
Wie der Steinbruch, auf dessen Gelände das Regierungspräsidium weder ein Wohn-, noch ein Gewerbegebiet genehmigen wolle, dennoch wieder Nutzen für die Stadt bringen könne, soll eine Ausstellung vom 8. bis zum 11. Februar im Bürgerhaus zeigen. Studenten der Frankfurt University of Applied Sciences, der früheren Fachhochschule, zeigen dort unter dem Titel „Velotel X“ Architekturentwürfe für ein ökologisch nachhaltiges Hotelprojekt, dass den Steinbruch und seine Einblicke in die Erdgeschichte integriert.
Pfeiffer-Pantring erläuterte auch den Zusammenhang zwischen Einwohnerzahlen und Gebühren für den Unterhalt der Infrastruktur. Deshalb sei es wichtig, dass Ortenberg entgegen früherer Prognosen nicht geschrumpft, sondern sogar Bürger hinzugewonnen habe. „Wir wollen uns auch im Außenbereich erweitern, aber wir müssen auch an den Innenbereich denken“, erklärte sie. „Wenn Sie in einer Straße mehrere leer stehende Häuser haben und dazwischen nur wenige ältere Menschen, dann brauchen Sie über Nachbarschaftshilfe nicht mehr nachzudenken.“
Die Bürger und ihr Engagement seien es, die Ortenberg reich machten. Dabei hob sie die Feuerwehren hervor. Was diese leisten könnten, habe die Bekämpfung des Brandes auf dem Rauhen Berg gezeigt. Dort habe sich auch ausgezahlt, dass die Feuerwehren in der Vergangenheit zusammen mit den Bewohnern des Rauhen Bergs das Verhalten in Notfällen geübt hatten.
Stellvertretend für die Vielfalt des bürgerschaftlichen Engagements wurden drei Initiativen, die seit zehn Jahren zum Reichtum der Stadt beitragen, mit der „Ortenberger Sonne“ geehrt. So hat das „Energiedorf Bergheim“ in dem Stadtteil ein Nahwärmenetz aufgebaut. Mehr als 100 Haushalte werden von einer Zentrale, die mit Holzhackschnitzeln beheizt wird, mit Wärme versorgt.
In Bleichenbach haben engagierte Bürger im Rahmen der Dorferneuerung die TKI Bücherei gegründet. Das Projekt, das diesen Sommer sein zehnjähriges Bestehen feiert, hat den Betrieb bisher komplett mit eigenen Mitteln finanziert. „Damit die TKI mehr ist, als eine Möglichkeit Bücher, DVDs oder Spiele auszuleihen, lassen sich die Organisatoren immer wieder attraktive Aktionen einfallen.“ Die dritte mit der „Ortenberger Sonne“ gewürdigte Initiative hat das alte Schulhaus in Lißberg, das lange dem Verfall preisgegeben war, wiederbelebt. In den Räumen sind eine Pilgerherberge am Bonifatiusweg und Veranstaltungsräume für die Bürger entstanden. Auch im Namen der anderen Preisträger dankte Harald Steiper von der Bürgerstiftung Pilgerrast den zahlreichen Helfern, „ohne die es nicht möglich gewesen wäre, das Projekt zu realisieren“. Gleichermaßen dankte er aber auch den Vertretern der Stadt. „Ohne Hilfe aus der Stadtverwaltung, dem Magistrat, der Bürgermeisterin und der Stadtverordnetenversammlung wäre kein einziges dieser Projekte möglich gewesen.“
Stadtverordnetenvorsteherin Ute Arendt-Söhngen richtete in ihrer Ansprache den Blick über die Stadt hinaus. Sie mahnte, dass 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sich Nationalismus wieder ausbreite. „Dieser Rechtsruck kann durchaus als Folge einer neoliberalen Politik angesehen werden“, analysierte sie.
Die Schere zwischen arm und reich klaffe immer weiter auseinander. Die Sparzwänge der vergangenen Jahre hätten auch die Kommunalpolitik beeinflusst, kam sie auf die städtische Situation zurück. „Dennoch lassen wir uns nicht entmutigen und versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten für unsere Kommune das Optimale zu erreichen, auch im Jahr 2019.“