Preiswürdig: Das Dorf der Genossen


Bildergalerie (10.11.2013 Homepage: klimaretter.info)

Preiswürdig: Das Dorf der Genossen
Die Urkunde „Bürgerenergie-Genossenschaft des Jahres 2013“ hängt seit Freitagabend an der Wand des Heizhauses im Energiedorf Bergheim, das von den klimaretter.info-Lesern unter 39 Bewerbern auf den ersten Platz gewählt wurde. „Jetzt ist Erntezeit“, freute sich die Bürgermeisterin bei der Preisverleihung. Die Auszeichnung sporne das ganze Dorf an, den Weg der Energiewende weiter zu verfolgen.
Aus Ortenberg-Bergheim (Hessen) Marco Eisenack
René Mono, Geschäftsführer der 100-Prozent-Erneuerbar-Stiftung, zeigte sich beeindruckt vom Zusammengehörigkeitsgefühl und dem Engagement der Bürger vor Ort: „Hier sieht man, dass die Energiewende ein Gemeinschaftswerk ist und auch eine gesamtgesellschaftliche Dimension hat“. Die Stiftung hat den Preis ins Leben gerufen, um Bürger und ihre dezentralen Energieprojekte zu unterstützen.
39 Bürgerenergiegenossenschaften hatten sich beworben. Die Bergheimer traten mit ihrem Konzept an, ein ganzes Dorf klimaneutral zu beheizen – durch den Einsatz von Restholz. „Das Projekt basiert auf dem nachwachsenden Rohstoff Holz, der in unserer Region überproportional vorhanden ist – ‚unendlich viel Energie'“, schrieben die Bergheimer in ihrer Bewerbung. „Das Projekt ist auf mehrere Generationen ausgelegt und wirkt dem Ausbluten durch den demografischen Wandel entgegen.“ Mehrere Photovoltaikanlagen ergänzen heute im Ort das Geschäftsmodell und erweitern so den Einsatz von regenerativer Energie.
Bei der Abstimmung auf klimaretter.info wählten die Leser das Energiedorf auf den ersten Platz. Damit steht den Hessen eine Einlage in Höhe von 10.000 Euro zu. Auf Platz zwei landete die Energiegenossenschaft Berlin-Brandenburg (5.000 Euro), auf dem dritten Platz die Norddeutsche Energiegemeinschaft (2.000 Euro). Die Summen werden jeweils an klimaretter-Leser überschrieben, die bei dem Quiz zur Energiegenossenschaft des Jahres erfolgreich ihr Wissen unter Beweis gestellt hatten. In Bergheim wurde der angereiste Hauptgewinner Alexander Huber, ein überzeugter Genossenschafts-Fan aus der Nähe von Lüneburg, neues Mitglied der Genossenschaft.
Initialzündung für eine lebendige Dorfgemeinschaft
Welche Auswirkungen ein solches Projekt haben kann – weit über das Thema Klimaschutz hinaus – machten die Ansprachen bei der Preisverleihung deutlich. In Bergheim war der Einsatz für die dezentrale Energieversorgung Initialzündung für eine lebendige Dorfgemeinschaft. „Unser Erfolgsgeheimnis ist das bürgerschaftliche Engagement“, sagte Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring (SPD). Dazu gehört auch Pragmatismus jenseits von Ideologien: „Wir sind keine Wutbürger, sondern Menschen, die einfach gerne hier leben“, erklärte die Bürgermeisterin. Die Bertelsmann-Stiftung widmete dem Dorf in ihrem Magazin eine große Geschichte unter dem Titel „Im Dorf wird es warm“ – und das sollte nicht nur klimatisch zu verstehen sein. Der Kampf gegen viele Widerstände und das gemeinsame Ziel hat die Anwohner enger zusammenrücken lassen.
Wer eine Nahwärmeversorgung für ein ganzes Dorf organisieren will, muss gute Nerven haben – und gute Beziehungen. Beides hatten die Bergheimer um Hartmut Langlitz, Ortsvorsteher und Aufsichtratsvorsitzender der Genossenschaft. Es begann 2008. Angesichts des damaligen Ölpreisschocks hatten einige Bewohner angefangen nachzurechnen, wie viel Geld aus dem Dorf für Öl- und Gasrechnungen der Gemeinde verloren geht und ob es nicht Alternativen gäbe. „80 Prozent der im Privathaushalt genutzten Energie werden für Heizung und Warmwasser benötigt“, betonte Langlitz auf der Preisfeier. Da die Region Bergheim im Wetteraukreis zu den waldreichsten Gebieten des Landes gehört und ein „Hochleistungsstandort für Waldwirtschaft“ ist, war schnell klar, dass ein Hackschnitzel-Heizwerk die beste Lösung ist.
Als 2009 die Straßen des Dorfes von Grund auf saniert werden mussten, war die große Chance gekommen, ein Nahwärmenetz zu installieren. Keine leichte Aufgabe angesichts der klammen öffentlichen Kassen in der Region. Eine Bürgschaft der Stadt für das Projekt wurde von der Verwaltung sehr kritisch beäugt. So habe auch ein bisschen Glück dazu gehört, dass es doch noch klappte, berichtete Bürgermeisterin Pfeiffer-Pantring. Nach einem Fernsehbericht sei die Dynamik im Dorf plötzlich nicht mehr zu stoppen gewesen. Nur viel politischer Rückenwind, eine hohe Risikobereitschaft der Genossen und viel Sachverstand aus den eigenen Reihen führten am Ende zur Baugenehmigung und einer Bewilligung der Kredite. Im Jahre 2009 wurde Bergheim bei einem Wettbewerb des Hessischen Rundfunks sogar zum „dollsten Dorf des Jahres“ gewählt“.