Projekt in Bergheim als Beispiel hervorragenden Bürgerengagements gewürdigt


26.10.2012, Frankfurter Neue Presse, von Georgia Lori.

Sie sind das Energiedorf

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Projekt in Bergheim als Beispiel hervorragenden Bürgerengagements gewürdigt

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Bereits im Oktober 2010 besuchte Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) das Energiedorf Bergheim und überbrachte einen Bewilligungsbescheid über 200 000 Euro für ein außergewöhnliches Projekt: Die Genossenschaft Energiedorf Bergheim errichtete eine zentrale Heizanlage in Bergheim, die die Wärmeversorgung des gesamten Dorfes sicherstellt.

Dieses Mal kam Puttrich ohne Bescheid, aber mit viel Lob für den Fortschritt am Bau des Holzhackschnitzelheizwerkes.Doch was ist das Besondere an dem 700 Einwohner zählenden Dorf, das zur Gemeinde Ortenberg am Fuß des Vogelsberges gehört? Ortsvorsteher Hartmut Langlitz bringt es auf den Punkt. „Wir wollten die Bürger mit Wärme versorgen und gleichzeitigunabhängig vom Ölpreis sein“, sagt er selbstbewusst.
Die Grundidee, ein Nahwärmenetz in Bergheim aufzubauen, erforderte viel Mut, Eigeninitiative, Überzeugungskraft, Bündelung von Fachwissen, das Anpacken der Dorfgemeinschaft und ein gut durchdachtes Konzept. Der Startschuss für die Umsetzung konnte jedoch erst mit einer neuen Betriebszufahrt zum Steinbruch erfolgen. Bis 2008 fuhren täglich mehrere hundert Lkw durch Bergheim, um den abgebauten Basalt zu transportieren.

Baubeginn im Mai 2011

Dank einer Bürgerinitiative und viel Aufklärungsarbeit entstand 2009 eine neue Trasse am Ortseingang. Die schweren Fahrzeuge brauchten nicht mehr länger die engen Dorfstraßen zu befahren. Mit der neuen Betriebszufahrt konnten auch neue Leitungen in die Dorfstraße gelegt werden, für Wasser, Kanal, Strom, Telefon und ein Leerrohr für ein Glasfasernetz.
Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring (SPD) und einige Bürger sprachen sich schließlich dafür aus, weitere Kilometer Rohre zu verlegen, um am Ortsrand ein Holzhackschnitzelheizwerk zu bauen. Die Herausforderung wurde in rechtlicher Form einer Genossenschaft umgesetzt. Im Mai 2011 begann der Bau der Halle und des Heizkraftwerkes. Seit Herbst 2011 wird über eine Heißwasserleitung für alle angemeldeten Haushalte Wärme aus dem Holzhackschnitzelheizwerk in das Haus geliefert. Ein Wärmetauscher überträgt diese Wärme in den jeweiligen Heizungs- und Warmwasserkreislauf. Die vom Haushalt verbrauchte Wärmeenergie wird von einem Wärmezähler erfasst.
Gewonnen wird die Wärme aus Holzhackschnitzeln, die aus Rest-und Abfallholz stammen. Die Holzhackschnitzel werden von der Firma Lind aus Geiß-Nidda bezogen. „Alle städtischen Liegenschaften und 170 Wohneinheiten sind mittlerweile angeschlossen“, sagt Langlitz, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft Energiedorf Bergheim ist. In Zeiten knapper werdender Ressourcen und des Klimawandels leistet die Genossenschaft so einen wichtigen Beitrag zur Umweltschonung. 6 000 Euro zahlte jeder Genosse für die Geschäftsanteile, um sich an das Nahwärmenetz anzuschließen. So kam eine Summe über 684 000 Euro zusammen. 800 000 Euro Zuschüsse erfolgten aus verschiedenen Töpfen, wie aus dem der Wirtschafts-und Infrastrukturbank Hessen.

Ehrenamtliche Leitung

„Das drei Millionen Euro teure Projekt ist auf 20 Jahre angelegt“, erklärt Vorstandssprecher Benjamin Kleer. Die Genossenschaft wird ehrenamtlich von Aufsichtsrat und Vorstand geführt und auch die Wartungsteams versehen ehrenamtlich ihren Dienst. „Dass es Menschen gibt, die ehrenamtlich das geschäftliche Risiko tragen und einen kaufmännischen Betrieb führen, ist außerordentlich“, würdigte Puttrich und ließ sich die technischen Details der Anlage erklären. Bereits bei der Konzeption des Kraftwerks wurde auf die Zukunftsfähigkeit geachtet. Das Schrägdach der Heizanlage kann zur Erzeugung von Strom durch Photovoltaik genutzt werden.
Zufrieden mit dem Projekt zeigte sich Klaus Franz, ein Einwohner aus Bergheim, und zählte die Vorteile der Nahwärme auf: „Ich bin unabhängig vom Ölpreis, der Stromverbrauch ist geringer, die Reinigung der Heizung entfällt ebenso wie die Emissionsprüfungen des Schornsteinfegers“.
Da weder Heizkessel noch Öltank benötigt würden, spare man einen zusätzlichen Raum im Haus. Langlitz möchte noch einen Schritt weiter gehen und das Projekt in punkto Solarenergie erweitern. Er hofft, in der Nähe des Kraftwerks Brachland zur Errichtung von Solarparks zu finden.