Viel Lob für die »gelebte Energiewende« vor Ort
07.11.2012, Wetterauer-Zeitung,
Viel Lob für die »gelebte Energiewende« vor Ort
Wetteraukreis (sda). »In Bergheim ziehen die Menschen an einem Strang«, lobte Landrat Joachim Arnold den Gewinner des Wetterauer Umweltschutzpreises 2012. Die mit 2000 Euro dotierte Auszeichnung ging an die Genossenschaft Energiedorf Bergheim, die eine zentrale Heizanlage in dem Ortenberger Stadtteil errichtet hatte.
Am Montagabend nahm der Aufsichtsratsvorsitzende Hartmut Langlitz im Plenarsaal in Friedberg die Urkunde feierlich entgegen. Zudem erhielt Fred Nies eine Belobigung: Er hatte sich als Jugendgruppenleiter des Naturschutzbundes (NABU) Ober-Lais verdient gemacht.
Insgesamt 13 Bewerbungen waren eingegangen, berichtete Moderator Hendrik Hollender. Die Entscheidung der Jury sei schnell auf das Energiedorf gefallen. Seit vergangenem Jahr ist das Heizwerk in Betrieb, versorgt die angeschlossenen Häuser rund um die Uhr mit Heizenergie und Warmwasser. Das Besondere: Die Wärme wird aus Holzhackschnitzeln gewonnen, die zu 90 Prozent aus Rest- und Abfallholz entstehen. Auf diesem Wege spare das Dorf jährlich 300 000 Liter Heizöl und 700 Tonnen Kohlendioxid ein. Möglich gemacht wurde die schnelle Umsetzung des Projektes durch die Dorfgemeinschaft: Fast zwei Drittel der (zumeist energetisch sanierten) Häuser sind an das Heizwerk angeschlossen, berichtete Ortsvorsteher und Aufsichtsratsvorsitzender Hartmut Langlitz. Auch sei die waldreiche Umgebung Bergheims vorteilhaft.
Im Juli 2009 hatte sich die Genossenschaft gegründet. Etwa 80 Bürger hatten sich mit je 150 Euro an einer Machbarkeitsstudie beteiligt. Danach wurden immer mehr Menschen ins Boot geholt. »In Bergheim arbeiten und denken Bürger zusammen, die sich sonst nur vom Grüßen kennen.« Als dann die Straßen im Ortsgebiet zwecks Sanierungen aufgerissen wurden, gab die Genossenschaft die Verlegung der Heißwasserrohrleitungen in Auftrag. Auch wenn die Skepsis zu Beginn der Planung groß gewesen sei, liefe das Drei-Millionen-Euro-Projekt inzwischen reibungslos, so Langlitz. So habe das Heizsystem schon einige Bewährungsproben hinter sich – wie etwa sehr kalte Wintertage. Neben dem Umweltaspekt biete die Anlage weitere Vorteile: »Wir erzeugen saubere, geräusch- und geruchlose Wärme, und die Stromkosten sind geringer.«
Ortenbergs Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring lobte die »gelebte Energiewende« im Dorf. »Dieses Projekt wurde über Jahre hinweg von engagierten Bürgern begleitet.« Einige hätten mit ihrem Privatvermögen für das Projekt gehaftet, zudem seien zahlreiche Kompetenzen gebündelt worden. Heimische Ingenieure hätten die Pläne durchgesehen, Bankkaufleute die Finanzierung überprüft, wieder andere sich um die Verbreitung der Idee gekümmert – und die Politiker hätten schnelle Beschlüsse im Parlament gefasst. »Ich hatte all das am Anfang nicht für möglich gehalten«, sagte die Bürgermeisterin. »Aber wenn wir das geschafft haben, können andere Dörfer das auch.«
140 junge Naturfreunde
Eine weitere Auszeichnung erhielt Fred Nies: Für seine Arbeit als Jugendleiter der NABU-Gruppe Ober-Lais nahm er die mit 500 Euro dotierte Belobigung entgegen. In acht Jahren aktiver Arbeit unternahm er mit den Jugendlichen zahlreiche Tagesausflüge, veranstaltete Zeltlager und führte regelmäßige Treffen für den Naturschutz durch. Dadurch gelang es ihm, die mit 140 Mitgliedern größte NABU-Jugendgruppe im Wetteraukreis aufzubauen.
Eine Besonderheit gab es noch zur 33. Preisverleihung, berichtete Moderator Hollender: »Die Entscheidung der Jury wurde zum ersten Mal kritisiert.« Für gewöhnlich landeten derartige Schreiben im Papierkorb, dennoch las Hollender die Kritik vor: Von einem »Verrat an den Naturschützern der ersten Stunde« spricht der Verfasser: Nicht Umweltschutzgedanken würden in Bergheim verfolgt, sondern lediglich kommerzielle Interessen. Im bis auf den letzten Platz belegten Plenarsaal nahmen die Besucher die Anschuldigung eher belächelnd zur Kenntnis und würdigten bei musikalischer Begleitung von Sabine Dreier und Vincent Rocher die Preisträger.